Year: 2011
Author: Höreth, Marcus
Der Staat, Vol. 50 (2011), Iss. 2 : pp. 191–226
Abstract
Kritiker des EuGH weisen darauf hin, dass die Asymmetrie zwischen negativer und positiver Integration in der EU vor allem auf die extensive Interpretation der vier Grundfreiheiten durch den EuGH zurückzuführen ist. Maßnahmen der Mitgliedstaaten, mit denen diese legitime gesellschaftspolitische Zwecke verfolgen, werden oft zu einseitig und nicht auf Basis einer ausgewogenen Abwägung zwischen der mit ihnen verbundenen Intensität der Wettbewerbs- bzw. Mobilitätsbeschränkung einerseits und der Bedeutung der Maßnahme für die Verwirklichung der gliedstaatlichen Ziele andererseits gewichtet und entsprechend als gemeinschaftsrechtswidrig eingestuft. Aus empirischer Sicht kann dies durchaus bestätigt werden. Der daraus abgeleitete Vorschlag, politische Interventionsmöglichkeiten seitens des Europäischen Rates zur Revision unliebsamer Urteile vorzusehen, überzeugt jedoch nicht: Er ist nicht nur kaum durchsetzbar, sondern auch normativ fragwürdig. Statt auf exogenen politischen Druck auf ein Gericht zu setzen, das zur Aufrechterhaltung seiner Rechtsprechungsfunktionen auf seine institutionelle Unabhängigkeit dringend angewiesen ist, sollte nach einer die Autonomie supranationaler Rechtsprechung schonenden und insoweit gemeinschaftsverträglichen Lösung des Problems gesucht werden. Vor diesem Hintergrund wird mittels einer systematischen vergleichenden Analyse für die Einführung abweichender Voten beim EuGH plädiert. Durch Sondervoten kann es dem Gericht leichter gemacht werden, mittel- und langfristig Recht zu sprechen, das von lange etablierten Rechtsprechungslinien abweicht und so in der Lage ist, die notwendige Korrelation von (supranationaler) Rechtsprechung und gesellschaftlich-politischer Wirklichkeit gerade in den von negativer Integration (durch Recht) besonders betroffenen kontinentalen und skandinavischen Sozial- und Wohlfahrtstaaten wieder herzustellen.
You do not have full access to this article.
Already a Subscriber? Sign in as an individual or via your institution
Journal Article Details
Publisher Name: Global Science Press
Language: German
DOI: https://doi.org/10.3790/staa.50.2.191
Der Staat, Vol. 50 (2011), Iss. 2 : pp. 191–226
Published online: 2011-04
AMS Subject Headings: Duncker & Humblot
Copyright: COPYRIGHT: © Global Science Press
Pages: 36